Die Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden und die Technische Universität Berlin erproben ein neues Verfahren zur Verwertung des Cyanobakteriums Arthrospira platensis, besser bekannt als Spirulina-Alge, im Technikums-Maßstab. Durch die Kopplung mit Biogasanlagen soll der Prozess im ländlichen Raum umsetzbar sein.
Mit ihrem Ansatz wollen die Forscher eine wirtschaftlich tragbare Wertschöpfungskaskade auf Basis der Wertstoffe Exopolysaccharide (EPS – ein antiviraler Wirkstoff zum Einsatz in Aquakulturen) und Phycocyanin etablieren. Projektleiter Professor Christoph Lindenberger konnte im Rahmen früherer Arbeiten bereits nachweisen, dass EPS eine antivirale Wirkung gegen das hochinfektiöse, letale Koi Herpes Virus haben. Das Virus befällt Fische aus der Familie der Cypriniden (Karpfenartige) und stellt für betroffene Aquakulturbetriebe ein großes Problem dar, in Deutschland sind derzeit keine Impfstoffe und Medikamente gegen die Krankheit zugelassen oder auf dem Markt. In den Versuchen zeigte sich, dass sich EPS zur Prophylaxe, aber auch zur Therapie bereits erkrankter Fische eignen. Damit tut sich für EPS als Aquakulturtherapeutikum ein potenziell großer Markt auf, schließlich basieren über 70 Prozent der weltweiten Süßwasserfischzucht auf Cypriniden.
Der zweite Wertstoff aus Arthrospira platensis, das Phycocyanin, ist ein natürliches Pigment, das für die blaue Komponente in der blaugrünen Farbe von Spirulina verantwortlich ist und u. a. als Lebensmittelfarbstoff, für Kosmetika und als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt wird. Bislang erfolgt die Gewinnung meist über einen mechanischen Zellaufschluss. Im jetzt startenden Projekt wird mit der energieeffizienteren Pulsed Electric Fields (PEF)-Technologie extrahiert, die einen weitgehenden Erhalt der Zellmorphologie ermöglicht. Das vereinfacht die anschließende Produktseparation und soll zu einer Erhöhung der Extrakt-Reinheit führen.
Über die Kopplung des Prozesses an eine Biogasanlage soll zum einen die Prozesswärme für die Bioreaktoren bereitgestellt werden, in denen die Mikroalgen vermehrt werden. Zum anderen eignen sich die in der Extraktion abgetrennten Zellreste als Substrat für die Biogasanlage. Die Extraktionsprozesse verbessern dabei deren Vergärbarkeit: Durch die Abtrennung eines großen Teils der Proteinfracht, des Phycocyanins, wird Stickstoff reduziert. Dadurch gelangen anteilig mehr Kohlenstoffverbindungen in den Fermenter, wodurch sich das Methanbildungspotenzial erhöht.
Im Projekt „Antivirale Substanzen und Pigmente“ wollen die Forscher die Teilprozesse der Wertschöpfungskette zunächst im Labormaßstab weiterentwickeln, überprüfen und bilanzieren. Mit den Ergebnissen soll dann der Test im Technikums-Maßstab mit einer Algenkultivierung in Freiland-Photobioreaktoren erfolgen.
Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Informationen finden Sie unter den Förderkennzeichen 22017518 und 2219NR287.
Quelle: Pressemitteilung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. vom 10. August 2020