Mit der Power-to-Gas-Technologie möchte das Fraunhofer IWES in Kassel die Langzeitspeicherung für die schwankende Erzeugung der Wind- und Solarenergie lösen. Die Machbarkeit und die Funktion eines neuen kostengünstigen Verfahrens zur Erzeugung von Methangas haben die Forscher bereits nachgewiesen. Nun folgt mit Förderung des hessischen Umweltministeriums die Umsetzung in den Technikumsmaßstab. Dazu wird im Hessischen Biogasforschungszentrum HBFZ auf dem Landwirtschaftszentrum Eichhof in Bad Hersfeld eine 50 kW-Anlage aufgebaut und getestet.
Die Bauarbeiten beginnen im Herbst 2016 und sollen im Sommer 2017 abgeschlossen sein. Dann folgt ein 15 monatiger wissenschaftlich begleiteter und ausgewerteter Testbetrieb. Für das zweieinhalbjährige Forschungsprojekt überreichte Staatsministerin Priska Hinz heute den Fraunhofer-Forschern in Kassel einen Zuwendungsbescheid mit über einer Million Euro Förderung und betonte: "Die hessische Landesregierung strebt das Ziel an, bis 2050 die Energieversorgung komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Dabei helfen solche innovativen Projekte, wie das hier geförderte Vorhaben von Fraunhofer IWES. Auch wenn Biomasse erneuerbar ist und ständig nachwächst, so ist sie dennoch nicht im unbegrenzten Maße verfügbar. Daher ist es zwingend, sie gezielt einzusetzen und effizient zu nutzen. Forschungsprojekte wie die geförderte Power-to-Gas-Anlage weisen dafür den Weg."
Die Funktion der Biomasse als flexibel einsetzbaren Energieträger zu nutzen, trägt zu der Umsetzung des Ziels aus dem hessischen Koalitionsvertrag bei. Gleichzeitig wird besonderer Wert auf eine nachhaltige, umweltverträgliche und effiziente Nutzung der vorhandenen Biomasse gelegt. Die Power-to-Gas-Technologie (PtG) bietet die Möglichkeit, vorhandene Biogasanlagen flexibler zu betreiben, ohne mehr Biomasse einzusetzen.
Die bestehende Infrastruktur am HBFZ ist für ein derartiges Projekt ideal, da dort bereits eine landwirtschaftlich genutzte Biogasanlage des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) vorhanden ist. Staatsministerin Hinz: „Ich freue mich, dass mit diesem Projekt die Forschungskooperation HBFZ gestärkt wird“.
„In einem anschließenden Schritt sollen die im Projekt gesammelten Erfahrungen in die Planung einer zehnmal größeren Anlage einfließen. Dafür sind dann Standorte interessant, die auf Grund der vorhandenen Infrastruktur, der Genehmigungssituation und des Betriebs besonders günstige Bedingungen aufweisen. Die Umsetzung der Direktmethanisierung an einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Demonstrationscharakter wird der finale Entwicklungsschritt vor der Kommerzialisierung sein.“, erläuterte Jochen Bard, Bereichsleiter Energieverfahrenstechnik am Fraunhofer IWES.
Dr. Bernd Krautkremer, Abteilungsleiter Bioenergie-Systemtechnik ergänzte: „Die Methanisierung von Stromüberschüssen im Biogaskontext kann die Nutzung der heute vorhandenen Biogasanlageninfrastruktur mit über 8000 Anlagen steigern, indem sie den Gesamtenergieumsatz sowie den Nutzenergieoutput steigert, ohne weitere Biomassemengen umzusetzen. Durch die Direktmethanisierung des CO2 ergeben sich perspektivisch – bei geeigneten Marktmechanismen – neue Geschäftsmodelle für landwirtschaftliche Biogasanlagen. Um sich an die neuen Absatzbedingungen auf dem Energiemarkt anzupassen, haben die Betreiber die Möglichkeit ihre Biogasanlagen durch eine PtG-Anlage zu optimieren und zu flexibilisieren. Damit tragen sie zur Versorgungssicherheit und zur Wertschöpfung ländlicher Regionen bei.“
Hintergrund
Mit der PtG-Technologie wird erneuerbarer Strom in die chemischen Energieträger Wasserstoff und einem zweiten Schritt in Methan umgewandelt. Damit wird ein speicherbarer und flexibel einsetzbarer Energieträger erzeugt, der unabhängig von Ort und Zeit wieder rückverstromt werden kann. Wasserstoff lässt sich nur sehr begrenzt in das Erdgasnetz einspeisen (2-5 Vol.%), Methan hingegen fast unbegrenzt.
In der Methanisierung reagiert der Wasserstoff (H2) mit Kohlendioxid (CO2) in einem Reaktor zu Methan (CH4). Grundsätzlich sind viele CO2-Quellen für den Einsatz in PtG-Anlagen geeignet (z.B. Verbrennungsanlagen oder Zementwerke), allerdings bieten Biogasanlagen eine Reihe von Vorteilen. Biogasanlagen stellen das CO2 in hoher Konzentration (40-50 Vol.%) bereit und es sind wenige störende Begleitelemente vorhanden, da das Gas fast ausschließlich aus Methan und CO2 besteht. Außerdem kann bei Biogasanlagen die bereits vorhandene Infrastruktur für die Integration von PtG-Anlagen genutzt werden. Biogasanlagen sind kostengünstige CO2-Quellen und ermöglichen zudem die Nutzung der Prozesswärme in der Biogasanlage.
Eine besonders interessante Option zur Nutzung von CO2 aus Biogas ist die Direktmethanisierung. Dabei wird das Biogas ohne vorherige CO2-Abtrennung in der Methanisierung eingesetzt. Dies bietet den Vorteil, dass die aufwändige CO2-Abtrennung z.B. durch eine Aminwäsche entfallen kann und somit alle Biogasanlagen (auch kleinere Anlagen), die aktuell über eine Vor-Ort-Verstromung verfügen, als potenzielle CO2-Quelle in Frage kommen, ohne dass eine teure Gasaufbereitung integriert werden muss.
[Quelle: Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES vom 23. August 2016]