Pünktlich zum Beginn des Winters ist das Wärmenetz an der Biogasanlage fertiggestellt. Die Versorgung von 95 Gebäuden beginnt.
Im Ortsteil Armsen der Gemeinde Kirchlinteln wurde das größte Wärmenetz im Landkreis Verden errichtet. 95 Gebäude mit 139 Haushalten werden mit Wärme aus der Biogasanlage versorgt werden. Dazu wurden Leitungen von der Anlage zum Ortsrand und innerhalb des gesamten Ortes verlegt, insgesamt 8.400 m.
Bereits 2017 waren die Betreiber der Biogasanlage das erste Mal an die Öffentlichkeit getreten. In einer Bürgerversammlung stellten sie ihre Planung vor. Es folgten zahlreiche Besuche bei Interessenten, um den Wärmebedarf der Häuser zu ermitteln und zu prüfen, wie die Leitungen auf den Grundstücken geführt werden können. „Die Idee ist mit viel Interesse aufgenommen worden“, sagt Gerd Clasen, Geschäftsführer der Biogasanlage. Organisatorisch sind die Biogasanlage und das Wärmenetz getrennt. Wärmelieferant ist die neu gegründete KBB Connect GmbH, die die Wärme von der KBB Biogas GmbH & Co KG bezieht. Sie ließ mit den Wärmeleitungen auch ein Glasfasernetz zur schnellen Internet-Anbindung verlegen – für einige Kunden mindestens genauso attraktiv wie der Wärmebezug.
Nach Sichtung aller Interessenten stellte sich die Frage, wo das Netz genau verlaufen soll. Zwischen den Gebäuden gibt es immer wieder große Lücken ohne Wärmeabnehmer, die das Netz länger und teurer machen. „Das ist typisch für ländliche Wärmenetze, die im Gebäudebestand verlegt werden“, sagt Michael Kralemann von 3N. Das Landesberatungszentrum für Nachwachsende Rohstoffe hat an dem Vorhaben mitgearbeitet. „In Städten hätte man eine viel höhere Dichte der Wärmeabnehmer, die Verlegung wäre in den Straßen aber auch aufwendiger“. Letztlich entstand ein maßgeschneidertes Netz, in das zwar noch einzelne Häuser eingebunden werden könnten, im Wesentlichen ist das Projekt aber abgeschlossen. „Wir haben keinen Interessenten abgewiesen“, sagt Clasen.
Damit die Kunden zu 100 % Wärme aus erneuerbaren Energiequellen erhalten, sind an der Biogasanlage noch zwei Holzkessel mit einer Leistung von insgesamt 800 kW installiert. Sie decken die Lastspitzen im Winter ab und werden mit Holz aus der Durchforstung und der Landschaftspflege befeuert.
Parallel dazu änderten sich auch die Substrate der Biogasanlage. Bisher unterschied sich die Armsener Anlage nicht von vergleichbaren Biogaserzeugern, es wurden Gülle und Maissilage eingesetzt. Nun kommt Rindermist von Betrieben aus der Umgebung dazu, jeden Tag werden 25 t davon zugeführt. Die Betreiber haben hierfür zwei Gründe: Sie werden unabhängiger vom Mais und sie nutzen einen regionalen Reststoff mit geringen Kosten und kurzen Transportwegen.
Die daraus entstehenden Vorteile belegt auch eine Klimabilanz, die von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen aufgestellt wurde. Bereits heute verursacht der Strom aus der Biogasanlage nur halb so hohe CO2-Emissionen wie der normale Bezug aus dem öffentlichen Netz. Dieser Wert sinkt durch die Wärmelieferung noch einmal auf die Hälfte, weil Heizöl und Erdgas in großem Umfang ersetzt werden.
Die Biogasanlagenbetreiber blicken auch bei der Betriebsweise ihrer Anlage in die Zukunft. Während der Strom anfangs kontinuierlich mit einer Leistung von 530 kW am Standort der Biogasanlage eingespeist wurde, wurde 2016 auf eine bedarfsgerechte Erzeugung umgestellt. Die Leistung wurde verdoppelt und die Motoren werden nach dem Strombedarf im Netz gesteuert. „Damit schaffen wir die Voraussetzung für den Weiterbetrieb über die Dauer der gesetzlich festgelegten Vergütung hinaus“, schildert Clasen seine Perspektive. „Nach neun Jahren Betrieb wissen wir, was unsere Anlage kann“. Dabei lässt sich auch der Wärmebedarf in Armsen berücksichtigen. Ein Speicher mit 1.000 m³ Volumen gleicht Schwankungen zwischen Erzeugern und Verbrauchern aus.
Das Vorhaben ist sehr langfristig angelegt. Die Gemeinde Kirchlinteln hat einen Gestattungsvertrag mit 30 Jahren Laufzeit abgeschlossen – mit einer Verlängerungsoption über weitere 10 Jahre. Die dauerhafte Versorgung war ein deutlicher Wunsch der Abnehmer. Sie können nun ihre Heizöl- und Erdgaskessel abschaffen oder auf eine Erneuerung verzichten. Hier liegt auf lange Sicht der wirtschaftliche Vorteil der Wärmelieferung. Auch Wartung, Instandhaltung und Abgasmessungen gehören der Vergangenheit an. Die Kunden honorieren dies mit einem Wärmepreis von 7,0 Ct/kWh (zzgl. MwSt.). Ein Grundpreis wird nicht erhoben und auch auf Anschlusskosten wurde verzichtet, um möglichst vielen Kunden den Anschluss leicht zu machen. Für Verbräuche von mehr als 50.000 kWh/a sinkt der Preis auf 5,9 Ct/kWh. Unter Berücksichtigung aller Kosten ergibt sich eine Ersparnis von 15 - 30 %.
Diese Preise sind bis 2025 festgelegt. Um langfristig eine faire Regelung zwischen den Kunden und dem Lieferanten zu schaffen, hat 3N eine Preisregelung erarbeitet, die mit Erdgas, Holz, landwirtschaftlichen Produkten und Löhnen alle Einflussgrößen einbezieht. „Das ist sehr wichtig für ein langfristig gutes Verhältnis zwischen den Beteiligten“, empfiehlt Michael Kralemann, der schon über 50 Wärmelieferungen aus Biogasanlagen auf seiner Referenzliste hat. Er freut sich, dass die Armsener Anlage nun noch effizienter betrieben wird.
Dieses und weitere Beispiele für Projekte mit Biogasanlagen finden Sie in der Projektdatenbank Bioenergie.