Forschungsverbund mit Beteiligung der Volkswagen AG entwickelt Schäume mit einem Ligninanteil von über 90 Prozent für Kernelemente von Pkw-Stoßfängern
Im Vorhaben „Ligninschaum“ will das Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI gemeinsam mit vier Industriepartnern, darunter die Volkswagen AG, einen biobasierten, wirtschaftlichen Schaumstoff für die Automobilindustrie entwickeln. Dazu setzen die Forschenden auf das direkte Aufschäumen von ungereinigtem Ligninsulfonat. Zielprodukt ist ein Kernelement für Pkw-Stoßstangen.
Ein isocyanatfreier Hartschaum, der zu über 90 Prozent aus Lignin besteht, wäre ein Novum. Diesen hohen Anteil strebt das „Ligninschaum“-Team an. Zusätzlich will es Reststoffe der Zellstoffherstellung wie nicht aufgeschlossene Faserbündel als Verstärkungsmaterial nutzen. Der biobasierte Anteil des neuen Werkstoffs könnte so sehr hoch ausfallen und im Idealfall 100 Prozent betragen. Bei bereits in der Literatur beschriebenen Polyurethanschäumen auf Ligninbasis liegt der Ligninanteil hingegen nur bei knapp 40 Prozent.
Die Forschenden setzen auf Verfahrensschritte, die ihre Machbarkeit im Kleinstmaßstab schon unter Beweis gestellt haben: Mit Wasserstoffperoxid lässt sich Ligninsulfonat direkt aufschäumen und vernetzen. Eine kostenintensive Aufreinigung ist so verzichtbar und der Rohstoff vergleichsweise günstig. Mittels ausgewählter biobasierter Fettsäuren und mit Latex will das Team dann die erforderliche Druckelastizität erreichen und anwendungsspezifische Eigenschaften einstellen. Als Additive kommen Humine hinzu. Humine fallen bei einem neuen Verfahren zur Herstellung von Polyethylenfuranoat (PEF) an, einem biobasierten Ersatz für den Massenkunststoff Polyethylenterephthalat (PET). Der Polymerhersteller Avantium aus den Niederlanden will mit dem neuen Verfahren PEF künftig im industriellen Maßstab produzieren und wird als assoziierter Partner die Huminstoffe bereitstellen. Als geeignetes Formgebungsverfahren zur Bauteilherstellung stehen schließlich der Spritzguss und ferner die Schaumextrusion im Fokus.
Ziel ist es, das beschriebene Verfahren erfolgreich zu optimieren und upzuscalen. Der neue Ligninschaum muss im Anwendungsgebiet Stoßfänger expandiertes Polypropylen (EPP) ersetzen, das mit geringem Gewicht, hoher Energieabsorption und gutem Rückstellvermögen punktet. Diese Eigenschaften sorgen u. a. für ein geringeres Verletzungsrisiko für Fußgänger im Fall eines Aufpralls. Die Anforderungen im Projekt sind also durchaus hoch. Bei Erfolg würde jedoch nicht nur ein erneuerbarer Werkstoff für die Automobilindustrie zur Verfügung stehen, es könnten sich auch neue Geschäftsfelder für Papier- und Zellstofffabriken eröffnen. Und nicht zuletzt steigt die Ressourceneffizienz der Holznutzung, wenn Lignin künftig noch stärker stofflich genutzt wird.
Hintergrund:
Lignin fällt als Nebenprodukt des chemischen Aufschlusses von Holz und anderen Pflanzenfasern in Zellstoffwerken und Papierfabriken an. Es wird mangels Alternativen bislang überwiegend zur Energiegewinnung verbrannt, nur zwei Prozent fließen in die stoffliche Nutzung.
Je nach Aufschlussverfahren und den eingesetzten Lösemitteln gibt es verschiedene Arten von Lignin: Das sogenannte Kraft-Lignin stammt aus dem Sulfatverfahren, das die weltweite Zellstoffproduktion dominiert. In Deutschland ist hingegen das Sulfitverfahren weiter verbreitet, hier sind Ligninsulfonate das Produkt. Ligninsulfonate eignen sich besonders gut zur stofflichen Nutzung, weltweit fallen davon etwa 3 Mio. Tonnen jährlich an.
Das Vorhaben wird bis Ende 2026 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Weitere Informationen stehen in der FNR-Projektdatenbank auf www.fnr.de unter den Förderkennzeichen 2220NR271A, 2220NR271B und 2220NR271C zur Verfügung.
Quelle: Pressemitteilung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. vom 26. Februar 2024