Die Stärken und Schwächen der verschiedenen Dämmstoffe in ihrer Ökobilanz zu erkennen und dabei auch die anschließende Entsorgung einzubeziehen war das Ziel des Forschungsprojekts „Ganzheitliche Bewertung von verschiedenen Dämmstoffalternativen“. Erarbeitet haben die Studie das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, ifeu, und der internationale Verein natureplus e.V. Die finanzielle Unterstützung lag bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (dbu) und dem Umweltministerium Baden-Württemberg. Erstmals vorgestellt wurden die Ergebnisse unlängst auf dem Fachkongress BauZ! in Wien.
Bewertet wurden die gängigsten Dämmstofftypen auf Basis mineralischer, nachwachsender und synthetischer Rohstoffe. Die Unterschiede im Wärmedurchlass wurden durch die Umrechnung in entsprechende Dämmstoffstärken ausgeglichen. In Anrechnung kamen auch die Möglichkeiten einer stofflichen Verwertung in anderen Produkten oder eine Rückführung in den Produktionskreislauf. Diese findet heute allerdings kaum statt.
Stand heute: Nachwachsende Rohstoffe vorn
Geht man von der aktuellen Situation der Bauwirtschaft aus, schneiden im Vergleich aller Dämmstofftypen die Holzfaser-Einblasdämmung sowie Hanf- und Jutematten wegen ihrer umweltfreundlichen Herstellung und geringen Umweltlasten in der Entsorgung am besten ab.
Darauf folgen als 2. Wahl Zellulose-Einblasdämmstoffe, die heute ohne HBCD hergestellten Polystyrol-Platten (EPS) sowie Holzfasermatten und auf dem dritten Rang die meisten übrigen Dämmstoffe in Platten- und Mattenform (PU-, XPS-Platten, trocken produzierte Holzfaserdämmplatten, Steinwolle-Platten, Glaswolle-Matten, Mineralschaumplatten). Am schlechtesten schneiden in diesem Vergleich wegen der hohen Energiemenge bei der Herstellung nass produzierte Holzfaserdämmplatten und Schaumglasplatten ab.
Wichtig: Der Vergleich basiert allein auf den Ökobilanzdaten und berücksichtigt weder Schadstoff- und Umweltbelastungen etwa durch Mikroplastik, noch materialtypische Unterschiede wie Brennbarkeit, Feuchteresistenz oder Belastbarkeit. Bei Hanf- und Juteprodukten gilt die gute Bewertung, solange sie aus Restbiomasse bzw. sekundären Rohstoffen wie gebrauchten Kakaosäcken gefertigt werden.
In Zukunft: Ökobilanz der Dämmstoffe verbessert sich durch neue Verwertungsverfahren
Bei der Dämmung von Bauteilen, in denen Dämmstoff-Platten verklebt werden (WDVS), liegen beim heutigen Stand einer Entsorgung in der Müllverbrennung nachwachsende Rohstoffe fast gleichauf mit HBCD-freiem EPS. Erst wenn der Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft gelingt, erlangen Dämmplatten aus EPS Vorteile. Voraussetzung dafür ist, dass EPS stofflich verwertet und wieder in die Produktion zurückgeführt wird. Ein stoffliches Recycling geht allerdings nur mit Neuware, die seit einigen Jahren ohne das Flammschutzmittel HBCD hergestellt wird.
Der Großteil des zukünftigen Abfallaufkommens sind allerdings in früheren Jahrzehnten verbaute EPS-Dämmstoffe, die mit HBCD belastet sind. Diese ließen sich mit dem vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV entwickelten CreaSolV®-Verfahren trennen und wiederverwerten. Diese Technik kommt derzeit allerdings nur als Demonstrationsanlage in kleinem Maßstab zur Anwendung.
Angesichts der Komplexität der Materie legen ifeu und natureplus großen Wert auf eine differenzierte Bewertung der Studienergebnisse und eine Gesamtbetrachtung. Ein isoliertes Herausgreifen einzelner Aspekte, wie bereits von Industrieseite geschehen, wird nicht als zielführend angesehen.
Nur eine künftige Kreislaufwirtschaft reduziert den ökologischen Rucksack
Während heute alte Dämmstoffe überwiegend in Müllverbrennungsanlagen oder Anlagen der Zementproduktion entsorgt werden, zeigt die Studie die spezifischen Vorteile einer stofflichen Verwertung: Aufbereitete Altmassen aus den Dämmstoffen können zu (anderen) Produkten weiterverarbeitet oder auch als Rohstoff in die ursprüngliche Produktion zurückgeführt werden. Dies reduziert den Ressourcenverbrauch und verbessert ihre Ökobilanz signifikant. Voraussetzung für eine stoffliche Verwertung sind recyclinggerechte Konstruktionen und Baustoffe. Gedämmte Bauteile dürfen also nicht aus Materialmixen und unlösbaren Verbunden bestehen. Zudem werden gute stoffliche Verwertungswege benötigt, wie sie die Studie skizziert, oder welche noch zu entwickeln sind.
Insgesamt zieht die Forschungsstudie das Fazit, dass bestimmte Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen hinsichtlich der Ökobilanz die Nase vorn haben, aber nicht für alle Anwendungsbereiche einsetzbar sind. Dämmstoffe aus mineralischen oder synthetischen Rohstoffen haben ein breiteres Anwendungsspektrum. Sie brauchen für eine gute Ökobilanz künftig in deutlich größerem Umfang ein stoffliches Recycling für den Einstieg in eine „Kreislaufwirtschaft“, um ihren großen ökologischen „Rucksack“ etwas leichter zu machen.
Die Studie zum Download: www.natureplus.org
Quelle: Pressemitteilung des ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH vom 5. März 2020