Die Zeiten, in denen Pilze ausschließlich auf unseren Tellern landen, sind vorbei. Je nach Verarbeitung eignen sich Myzelien nämlich auch als Dämmmaterial oder Baustoff und bieten somit eine nachhaltige Alternative zu Styropor oder Sperrholz. Fraunhofer UMSICHT-Mitarbeiterin Julia Krayer will pilzbasierte Materialien auf dem Markt etablieren.
Mit Pilzen assoziieren viele Menschen den Fruchtkörper, der sichtbar aus dem Boden ragt und häufig verzehrt wird. Der eigentliche Pilz besteht jedoch aus einem feinen Geflecht fadenförmiger Zellen und wächst unterirdisch im Boden. Die Tatsache, dass sich dieses sogenannte Myzel je nach Verarbeitung ebenso als Werk- oder Baustoff eignet, nutzt Julia Krayer schon länger für ihre Arbeit. Die Biodesignerin arbeitet bei Fraunhofer UMSICHT in der Abteilung für Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement und in der DEZENTRALE Dortmund, einer offenen Werkstatt des Instituts für gemeinschaftliche Projekte zu Zukunftsfragen im urbanen Raum.
Krayer forscht an pilzbasierten Materialien und entwickelt Verfahren, mit denen sich diese zu Werkstoffen weiterverarbeiten lassen. Im Rahmen der Materialentwicklung werden Pilzwurzeln zunächst mit einem Nährboden aus biologischem Abfall wie Kaffeesatz, Stroh und Buchenspänen vermischt. »Nach zwei bis drei Wochen durchziehen die Myzelien-Fäden das gesamte Substrat und bilden so eine feste Struktur, die anschließend zerkleinert wird«, erklärt die Biodesignerin. Das zerbröselte Pilzmaterial lässt sich nun in jede beliebige Form pressen, in der es zunächst verhärtet und im Ofen getrocknet wird, bevor es weiterverarbeitet werden kann. »Das auf diese Weise entstehende Material hat sehr gute Dämmwerte und macht es somit zu einer Alternative zu Styropor«, sagt Julia Krayer. Wird das pilzbasierte Material zusätzlich gepresst, erreicht es einen ähnlichen Härtegrad wie Sperrholz und lässt sich auch für den Bau stabiler Möbel verwenden.
Schallabsorber aus Pilzen, statt aus Styropor
Aus dem pilzbasierten Material lassen sich in einem weiteren Schritt Produkte für die Innenarchitektur herstellen, zum Beispiel Schallabsorber. Derzeit bestehen Akustikelemente im Innenarchitekturbereich, mit denen sich Wände oder einzelne Raumelemente verkleiden lassen, fast alle aus Kunststoffschäumen wie beispielsweise Styropor, sagt Krayer: »Diese Produkte sind somit weder besonders nachhaltig, noch lassen sie sich gut recyceln, da sie meist zusätzlich mit Brandschutzmitteln bearbeitet wurden.« Mit den pilzbasierten Materialien will die Biodesignerin eine nachhaltige und kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Produkten im Werk- und Baustoffbereich auf den Markt bringen. Denn für das von ihr entwickelte Verfahren werden als Ausgangsstoffe lediglich Abfälle aus der Lebensmittelproduktion genutzt. »Somit müssen wir keine teuren Materialien einkaufen, und wir verzichten ebenfalls auf Holz, das erst Jahrzehntelang wachsen muss.«
Nächster Schritt: Unternehmensgründung
Mit dem Pilzmaterial-Projekt hat ein Team um Julia Krayer bereits den Wissensdreieck-Wettbewerb des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) gewonnen und so Zugang zu den Fdays (FraunhoferDays) erhalten. Das Programm hilft jungen Forschern, ein Geschäftsmodell für ihr Konzept zu erstellen, mögliche Hürden im Vorfeld zu erkennen und alternative Strategien zu entwickeln. Mit dem Gewinn verbunden ist außerdem ein Preisgeld in Höhe von 80.000 Euro, das Krayer und ihre drei Mitstreiterinnen nun in eine erste Produktentwicklung investieren - sei es für den Bau von Prototypen, die Anschaffung benötigter Gerätschaften oder die Durchführung von Testphasen.
Im Fokus der Forschung steht derzeit die Frage, unter welchen Bedingungen das Material am besten wächst, beispielsweise in Hinblick auf die Temperatur oder die Luftfeuchtigkeit. Ein Großteil dieser Arbeiten findet entweder in Julia Krayers Atelier oder in der DEZENTRALE Dortmund statt. »Für die Zukunft planen wir jedoch, eigene Räumlichkeiten zu beziehen und suchen derzeit nach geeigneten Immobilien im Ruhrgebiet«. Ebenfalls sei in Überlegung, mit Pilzfarmen zusammenzuarbeiten, die die Infrastruktur und Technik bereits haben, um dorthin Teile des Prozesses auszulagern.
In einem nächsten Schritt steht für Krayer und ihre Mitstreiterinnen die Vorbereitung einer Unternehmensgründung auf dem Plan. Derzeit versuchen die Gründerinnen einen EXIST-Antrag durchzubringen. Bei EXIST (Existenzgründungen aus der Wissenschaft) handelt es sich um ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), das wissensbasierte Existenzgründungen unterstützt. Für die Finanzierung des geplanten Biotechnologie-Start-ups erhofft sich Julia Krayer eine Mischung aus EXIST-Förderung und Investment.
Quelle: Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT vom 30. August 2017