Die geplante erhebliche Steigerung der Nutzung der erneuerbaren Energien wirkte sich auf die Planung der diesjährigen Tarmstedter Ausstellung aus: Die Zelthalle 7, in der das 3N Kompetenzzentrum in den letzten beiden Jahren seinen Stand hatte, wurde komplett diesem Thema gewidmet, sodass 3N dieses Mal in Halle 6 (Stand 07) platziert wurde.
Der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen (LEE) hat in Zelthalle 7 einen Gemeinschaftsstand mit 20 Firmen organisiert.
Das massive Auftreten der Branche auf der Messe ist eine Folge der Landespolitik: "Niedersachsen ist Energiewendeland Nr. 1 und das Land der Erneuerbaren Energien – und ihr Ausbau wird
weiter vorangetrieben. Nirgendwo anders wird bundesweit so viel Strom aus Windenergie, Sonne und Biogas erzeugt. ... Ziel des Landes ist der Zubau von rund 300 Windkraftanlagen mit 1500 Megawatt pro Jahr. Den dafür notwendigen rechtlichen Rahmen hat der Niedersächsische Landtag im April mit dem Niedersächsischen Windgesetz gesetzt. Damit verdoppelt Niedersachsen landesweit die Flächen für die Windenergie auf mindestens 2,2 Prozent, basierend auf einer Potentialstudie des Umweltministeriums." Speziell der LK Rotenburg/W. hat mit 4 % seiner Fläche einen besonders hohen Anteil des Anlagenzuwachses zu tragen. Das macht insgesamt 8. 307 Hektar aus, von denen mindestens 150 ha (für bis zu 500 Windräder) versiegelt werden, vor allem natürlich landwirtschaftliche Nutzflächen.
Jedes neue Windrad bewirkt einen Verlust von 3.000 - 4.000 Quadratmetern land- oder forstwirtschaftlicher Nutzfläche!
Bei Eingriffen dieser Art ist der Verursacher im Sinne des § 14 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes zu unterlassen und die unvermeidbaren erheblichen Beeinträchtigungen bestmöglich zu kompensieren. In der Praxis wird dies bisher durch die Umwandlung zusätzlicher landwirtschaftlicher Flächen in nicht mehr nutzbare ökologisch wertvolle Biotope erreicht. Da diese fortlaufende doppelte Verringerung von Acker- und Grünlandflächen nicht im Sinne einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion sein kann, müssen verstärkt Möglichkeiten einer Produktionsintegrierten Kompensation (PIK) genutzt werden. Dazu hat der Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Jahr 2023 eine Arbeitshilfe herausgegeben, die den Unteren Naturschutzbehörden helfen soll, entsprechende Lösungen für den Einzelfall zu finden.
Danach gilt der Grundsatz "Beeinträchtigte Funktionen und Werte der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts müssen in gleichartiger oder gleichwertiger Weise wiederhergestellt werden." Im Falle einer Ackerfläche geht es dabei zumindest um ihre Bedeutung für die landwirtschaftliche Produktion, als Lebensraum für Bodenlebewesen und meist auch für den Wasserhaushalt (Versickerung und Speicherung von Niederschlägen). Viele landwirtschaftliche Flächen sind in dieser Hinsicht suboptimal ausgestattet. Daher kann es sinnvoll sein, "konventionelle" Ackerflächen durch Maßnahmen des Humusaufbaus so aufzuwerten, dass die Masse (und Artenzahl) bei Bakterien und Pilzen im Boden erheblich erhöht und dadurch auch die Wasseraufnahme und -speicherung gesteigert wird. In der o.g. Handreichung heißt es dazu: "Ein Beitrag zur Kompensation der Beeinträchtigungen des Bodens kann auch in der dauerhaften Umstellung der landwirtschaftlichen Nutzung auf ökologischen Landbau gesehen werden. Der Verzicht auf synthetische Dünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel in Verbindung mit einer mehrjährigen Fruchtfolge und dem Anbau von Leguminosen kommt den natürlichen Bodenfunktionen zugute, wie z. B. der Retentions- und Speicherfunktion des Bodens für Grund- und Oberflächenwasser und organisch gebundenen Kohlenstoff und der Verringerung von Nährstofffrachten. Die ökologische Bewirtschaftung stärkt die Funktion des Bodens als Lebensraum für Bodenorganismen sowie allgemein als Lebensraum wild lebender Pflanzen- und Tierarten landwirtschaftlicher Nutzflächen." Dazu ist anzumerken, dass sich diese Effekte auch erreichen lassen, ohne dass die Bewirtschaftung konsequent auf ökologischen Landbau umgestellt wird! Die praktische Umsetzung von PIK-Maßnahmen bei den zahlreichen notwendigen Windenergieprojekten könnte sicherlich in vielen Fällen ohne Qualitätsverluste vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man sich auf die Forderung nach der Anwendung von Maßnahmen der regenerativen Landwirtschaft beschränken würde. So ließe sich deren - auch aus Gründen der Anpassung an die Folgen des Klimawandels erforderliche - Verbreitung letztlich teilweise von den Windparkinvestoren finanzieren!
Bei einer Podiumsdiskussion des LEE zu „Erfahrungen und Herausforderungen bei der Umsetzung des Windenergiegesetzes“ am 13.07.2024 wurde deutlich, welche günstige Perspektiven es für die Nutzung von "Ersatzgeldern" (Mittel für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) für den Humusaufbau gibt: Marco Prietz, der Landrat des Landkreises Rotenburg (Wümme) stellte fest, dass dort aktuell schon mehrere Mio. Euro für solche Maßnahmen auf einem Verwahrkonto des Landkreises lägen und durch die Verwirklichung der aktuellen Windenergieausbaupläne weitere Millionen hinzukämen. Es sei sehr schwer, geeignete Projekte zu finden, insbesondere, wenn dafür landwirtschaftliche Flächen umgewidmet werden müssten. 3N will daher im Rahmen des Projektes KlimaFarming zusammen mit verschiedenen Partnern ein praxisnahes Konzept dafür entwickeln, wie "Ersatzgelder" genutzt werden können, um Landwirten methodisch und finanziell bei der Umstellung auf regenerative Landbaumethoden zu helfen! Hilfreiche Anregungen und Erfahrungsberichte dazu werden sehr gerne entgegengenommen!