Naturfasern, z. B. tierische Naturfasern wie Schafwolle oder pflanzliche Naturfasern wie Baumwolle, werden schon lange vor allem in der Textilindustrie verarbeitet. Naturfasern zeichnen sich unter anderem durch eine geringe Dichte, gute Wärmeisolation, gute Verarbeitbarkeit und Verfügbarkeit aus. Seit längerer Zeit werden (größtenteils pflanzliche) Naturfasern auch in Verbundwerkstoffen, in naturfaserverstärkten Kunststoffen (NFK) oder in Wood-Plastic-Composites (WPC), eingesetzt, um die Eigenschaften von Kunststoffen zu verbessern und teure synthetische Fasern wie Glasfasern zu ersetzen.
Naturfaserverstärkte Kunststoffe bestehen aus Kunststoffen (auf fossiler oder natürlicher Basis), in die Naturfasern zur Stabilität eingebettet sind. Diese Werkstoffe zeichnen sich durch eine geringe Dichte bei gleichzeitig hoher Festigkeit und Steifigkeit aus. Als Leichtbaumaterialien kommen sie daher u. a. in Karosserieteilen von Automobilen zum Einsatz. Neben dem geringen Gewicht macht die geringe Splitterneigung und die gute Schalldämmung NFK zum idealen Werkstoff für Türkonstruktionen und Innenverkleidungen im Automobilbereich (siehe Tab. 1 und Tab. 2). Auch wenn die Automobilindustrie heutzutage der größte Verarbeiter von NFK ist, kommen auch in anderen Branchen Naturfaserformpressteile, wie z. B. in Form von Aktenkoffern oder Bürostühlen, zum Einsatz.
Je nach Art der pflanzlichen Naturfaser wird in Holz- und Bastfasern unterschieden. Holzfasern stammen häufig aus Nebenprodukten der Holzverarbeitung, z. B. aus Holzspänen. Daher sind sie sehr preiswert, haben jedoch keine besonderen Eigenschaften. Durch Veredelungsschritte können sie aufgewertet werden und finden so in vielfältigen Bereichen als Wood-Plastic-Composites (WPC) Anwendung (siehe Tab. 3). Bastfasern (z. B. aus Flachs oder Hanf) dagegen haben häufig sehr gute mechanische Eigenschaften, sind im Vergleich aber teurer. Sie werden vor allem für höherwertige Konstruktionswerkstoffe als Verstärkungskomponente eingesetzt.
Ausgangsstoffe
Hanf
Hanf gehört zu den ältesten Kulturpflanzen. Seit Jahrtausenden werden Seile, Schnüre, Segeltücher, Kleidungsstücke und sogar Papier aus Hanffasern hergestellt. Im 19. Jahrhundert ging die Nachfrage nach Hanf, durch die Zunahme der Baumwollproduktion und das Aufkommen von Dampfschiffen, die keine Segel mehr benötigten, jedoch zurück. Als Nutzpflanze wurde Hanf erst Ende der 1990er Jahre wiederentdeckt. Anwendungen finden Hanffasern heutzutage vor allem in Spezialzellstoffen, Dämmstoffen und Verbundwerkstoffen. Als Verbundwerkstoff sind hanffaserverstärkte Kunststoffe in der Automobilindustrie durch ihre positiven mechanischen Eigenschaften (v. a. gute Steifigkeits- und Festigkeitswerte) nicht mehr wegzudenken. Darüber hinaus kommen sie in der Möbelindustrie zum Einsatz.
Flachs
Neben Hanf ist auch Flachs (oft auch Lein genannt) schon seit Jahrtausenden als Kulturpflanze zu finden. Seile, Netze und Schnüre werden aus den Flachsfasern produziert. Als Lebensmittel werden die Samen vom Flachs (als Leinsamen oder zu Öl gepresst) verwendet. Aufgrund der zwei Bereiche (Fasern und Lebensmittel) wird zwischen Faser- und Öllein unterschieden. Die Langfasern des Faserleins werden größtenteils für die Textilindustrie verwendet. Die Kurzfasern als Nebenprodukt eignen sich hervorragend für Dämm- und Zellstoffe, sowie als Verstärkung in Verbundwerkstoffen. In Deutschland konnte sich bisher der Flachsanbau, trotz steigender Nachfrage für technische Anwendungen, nicht durchsetzen.
Holzfasern/Wood-Plastic-Composites (WPC)
Kunststoffe können nicht nur durch Fasern verstärkt, sondern auch durch andere Additive und Füllstoffe in ihren Eigenschaften variiert werden. Neben synthetischen Zusatzstoffen eignen sich hier besonders Holzfasern und Holzmehl. Die Verfügbarkeit von Holz ist hoch und als Nebenprodukte sind die verwendeten Holzfüllstoffe kostengünstig. Holz-Polymer-Werkstoffe, sogenannte Wood-Plastic-Composites (WPC) bestehen größtenteils aus Holzfasern/-mehl und Polymeren. Zusätzlich werden häufig noch Additive, wie z. B. Farben, Härter oder Bindemittel hinzugefügt. WPCs sind weit verbreitet und werden vor allem im Spritzgussverfahren zu den verschiedensten Produkten verarbeitet. Besonders Bodenbeläge und Terrassendielen aus WPC haben sich als Polymer-Verbundprodukte etabliert.
weitere wichtige Naturfasern
Neben Flachs-, Hanf- und Holzfasern gibt es eine Reihe weiterer Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen (z. B. Ramie, Sisal, Brennnessel, Jute, Kenaf), die durch ihre mechanischen Eigenschaften großes Potential für Verbundwerkstoffe besitzen. Auch eine Kombination von verschiedenen Naturfasern eingebettet in eine Polymermatrix ist in einigen Fällen wünschenswert, um Eigenschaften z. B. graduell oder richtungsabhängig einstellen zu können.
Verarbeitungsverfahren
Formpressen
Beim Formpressen werden die Naturfasern zusammen mit dem Kunststoff in eine Negativform eingebracht und durch Druck und Hitze in die gewünschte Form gepresst. Es existieren hierfür verschiedene Verfahren in denen sowohl thermoplastische als auch duroplastische Kunststoffe zum Einsatz kommen. Der Vorteil dieser Verfahren liegt in ihrer Einfachheit.
Extrusion
Hierbei werden kurze Naturfasern zusammen mit dem Kunststoffe und Additiven in einen Extruder eingebracht und zu einer homogenen Masse verdichtet. Der Extruder besteht aus mindestens einer Schnecke, die das Material vermischt und erhitzt. Anschließend wird das Gemisch durch eine zweidimensionale Form gepresst, so erhält das Material beim Erkalten die Form des Werkzeuges.
Spritzguß
Bei diesem Verfahren wird aus dem thermoplastischen Kunststoff, den Naturfasern und den Additiven eine homogene Mischung gemacht die zu einem Granulat weiterverarbeitet wird. Dieses Granulat wird anschließend in einer Spritzgußmaschine weiterverarbeitet. Dabei wird es in einem Extruder verflüssigt und in eine zweiteilige Form gespritzt.
Viele Zulieferer und Automobilproduzenten beschäftigen sich seit längerem intensiv mit der Einbringung von Naturfasern in Thermoplaste und der weiteren Verarbeitung im Spritzgussverfahren. Bezüglich der Einbringung und der Verarbeitung der Naturfasergranulate ergeben sich aber eine Reihe von Problemen.
Bisher konnte kein wirtschaftlich tragfähiges Verfahren konzipiert werden, das eine Einbringung langer Naturfasern oder industriell geschaffener Cellulosestapelfasern erlaubt. Das Problem der Dosierung ist bisher für Stapelfasern nicht gelöst. Die am Markt befindlichen Produkte bestehen aus Holzpartikeln oder rieselfähigen, wenige Millimeter langen Fasern, die für höherwertige Anforderungen über zu geringe mechanische Eigenschaften verfügen.
Durch die Compoundierung mittels Schneckenextruder oder Heiz-Kühlmischer kommt es häufig zu einer thermischen Degradierung der Naturfasern. Die Anforderungen seitens der Industrie bezüglich Geruch und Farbe werden durch diese Produkte nicht erreicht.
Zudem ergeben sich aus werkstofflicher Sicht bei bastfaserverstärkten Thermoplasten Probleme bezüglich der geringen Schlagzähigkeitseigenschaften, die einen Einsatz in vielen Produkten des Konsumgüterbereichs nicht erlauben.
Aufbauend auf F&E-Arbeiten mit Industriepartnern und anderen Forschungseinrichtungen kristallisierte sich in den letzten Jahren heraus, dass viele Verfahrenstechniken bezüglich der Flexibilität und der erreichbaren Eigenschaften nicht die ideale Lösung für die Herstellung von naturfaserverstärkten Thermoplasten sind. Darüber hinaus konnte das Eigenschaftspotenzial, das in den Naturfasern steckt, häufig nicht ausgeschöpft werden. Es wurde ein alternatives Compoundierkonzept aufgebaut, das die genannten Probleme löst. Basierend auf vielversprechenden Vorversuchen und intensiven Diskussionen mit Industriepartnern, wurde im Rahmen des Projekts ein für NFK neues Prinzip der Compoundierung umgesetzt. Im Klimacenter Werlte wurde das für die Versuchsdurchführung notwendige technische Equipment eingerichtet
Das neu entwickelte Compoundierungsverfahren ermöglicht auch lange Naturfasern ohne einen weiteren Verarbeitungsschritt (Pelletierung oder Schneiden) zu verarbeiten und spritzgußfähige Compounds mit einem Fasergehalt bis zu 50 % herzustellen. Die Verstärkung mit Naturfasern führt zur Erhöhung der Zugfestigkeiten und der E-Module im Vergleich zum reinem PLA und PP. Eine Erhöhung des Fasermasseanteils von 30, 40 auf 50 % erhöhte deutlich den E-Modul.