„Die umweltfreundliche Beschaffung im Allgemeinen und insbesondere die mit biobasierten Produkten ist noch lange nicht überall in der Praxis angekommen. Das liegt nicht zuletzt an der nach wie vor bestehenden Unsicherheit der Einkäufer, wie denn ein rechtskonformer, nachhaltiger Einkauf im Detail auszusehen hat. Das bestätigt unsere Online-Umfrage. Grundsätzlich genießen biobasierte Produkte dabei ein positives Image bei vielen Beschaffern“, erklärt Professor Ronald Bogaschewsky von der Universität Würzburg. Das Team um den Wirtschaftswissenschaftler befragte im Rahmen eines Projektes zur biobasierten öffentlichen Beschaffung Einkäufer der öffentlichen Hand sowie Anbieter biobasierter Produkte. In diesem Rahmen wurde auch die Onlineplattform „Expertengruppe Biobasierte Produkte“ innerhalb des Verwaltungs- und Beschaffernetzwerks www.VuBN.de realisiert, auf der sich Beschaffer und Anbieter biobasierter Produkte vernetzen und informieren können.
Die Beschaffung biobasierter Produkte ist ein Teilgebiet der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung. Bislang fragen öffentliche Auftraggeber biobasierte Produkte allerdings nur vereinzelt nach. An der Identifikation der Ursachen und deren Behebung arbeiten Forscher der Universität Würzburg um Professor Bogaschewsky. Zur fundierten Ursachenanalyse hat das Forscherteam deutschlandweite Online-Befragungen u.a. zu organisatorischen Abläufen und potenziellen Problemen sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Anbieterseite durchgeführt. Damit beide Seiten gemeinsam unter wissenschaftlicher Begleitung am Abbau der bestehenden Probleme arbeiten können, hat das Team zudem eine kostenfreie, einfache und komfortable Kommunikationsplattform entwickelt: Öffentliche Einkäufer und Anbieter biobasierter Produkte können sich innerhalb des bereits etablierten Verwaltungs- und Beschaffernetzwerks www.VuBN.de an der „Expertengruppe Biobasierte Produkte“ beteiligen, dort austauschen und informieren. Unter anderem sind dort Materialien zu „Best Practices“ und „Lessons Learned“ vorgesehen. Interessenten können sich auf www.vubn.de/anmeldung (Beschaffer) bzw. www.vubn.de/anbieter (Anbieter) registrieren.
Inzwischen liegen die Ergebnisse aus den Befragungen vor. An der Einkäufer-Befragung haben sich über 1.000 öffentliche Auftraggeber beteiligt. Deutlich wird dabei eine große Diskrepanz zwischen der grundsätzlich positiven Einstellung zu den biobasierten Produkten einerseits und der in der Praxis kaum stattfindenden Beschaffung solcher Produkte andererseits. Als wichtigste Hürden stellten sich heraus:
- Der Beschaffungspreis wird als zu hoch empfunden
- Budgetbedingt fokussieren sich Verwaltungen oftmals nur auf den Einstandspreis, ohne produktspezifische Vorteile bei der Kaufentscheidung und die Kosten in der Nutzungs- und Entsorgungsphase eingehend zu berücksichtigen
- Es besteht hohe Unsicherheit bezüglich rechtlicher Fragen und über das vorhandene Produkt-Angebot. In vielen öffentlichen Verwaltungen fehlt es an Ressourcen, um Beschaffungsmärkte intensiv zu sondieren und sich mit dem rechtskonformen Einkauf biobasierter Produkte zu befassen
- Teilweise genießt die ökologisch nachhaltige Beschaffung generell keine hohe Priorität
- Anreize für diese (noch) besondere Art der Beschaffung fehlen
Gleichzeitig empfinden viele Einkäufer Qualität, Leistung und Technik von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen als mindestens gleichwertig, bewerten die ökologische und soziale Nachhaltigkeit deutlich höher und gehen von großen Wachstumspotenzialen für diese Produkte aus.
Auf der Anbieterseite beantworteten 185 Unternehmen den Online-Fragebogen der Universität Würzburg. Das biobasierte Produktportfolio dieser Unternehmen ist nach eigener Einschätzung zu großen Teilen für die öffentlichen Verwaltungen relevant. Im Vergleich dazu haben sich jedoch wenige dieser Unternehmen in den vergangenen Jahren um öffentliche Aufträge beworben. Zu den wichtigsten Ursachen, die die Unternehmen selbst dafür sehen, gehören:
- Sie schätzen ihre eigenen Produkte mehrheitlich als preislich höher, gleichwohl als qualitativ besser im Vergleich zu konventionellen Produkten ein. Gleichzeitig bemerken sie bei den öffentlichen Verwaltungen eine einseitige Fokussierung auf Einstandspreise
- Daneben empfinden die Anbieter das Fehlen geeigneter Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten zu bzw. mit den öffentlichen Auftraggebern als problematisch. So würden anstehende Bedarfe seitens der Auftraggeber nicht ausreichend kommuniziert. Gleichzeitig fehlen den Anbietern Kenntnisse über Marketingaktivitäten, die sich für den öffentlichen Sektor eignen
- Schließlich beklagen sie hohe bürokratische Hürden, z. B. bei der Angebotserstellung, und eine fehlende Kenntnis der relevanten Gesetze und Richtlinien
Trotz dieser Einschränkungen sehen die befragten Unternehmen die öffentliche Hand als relevante Zielgruppe an. So gehen sie künftig von einer Steigerung gezielt biobasierter Ausschreibungen sowie der eigenen Bereitschaft, sich auf diese zu bewerben, aus.
Beide Seiten, Einkäufer und Anbieter, stehen einer biobasierten Beschaffung also grundsätzlich positiv gegenüber und sehen in diesem Bereich Wachstumspotenziale. Das Forscherteam der Uni Würzburg folgert, dass zur Realisierung dieser Potenziale ein Abbau der genannten Hürden essenziell ist. Öffentliche Auftraggeber, Anbieter und auch alle Politikebenen seien hier gleichermaßen gefordert.
Die komplette Auswertung der Studien können Sie hier herunterladen:
Studie öffentliche Auftraggeber
Das 2016 gestartete Vorhaben wird noch bis 2019 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Informationen stehen unter dem Förderkennzeichen 22027215 zur Verfügung.
Hintergrund:
Mit einem finanziellen Volumen von – je nach Schätzung – zwischen 250 und 400 Mrd. Euro kommt der öffentlichen Beschaffung in Deutschland eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden öffentliche Auftraggeber vielfach in der Pflicht gesehen, eine Vorbildfunktion bei der nachhaltigen Beschaffung auszuüben.
Quelle: Pressemitteilung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. vom 18. Dezember 2017