In Westertimke haben Landwirte seit Mai eine Tankstelle für Biogas eröffnet. Betankt werden eigene Transport-Lkw sowie ein Traktor. Das Interesse von regionalen Firmen ist groß.

Ernst Schnackenberg (links) betankt den Biomethantraktor an der Schnelltanksäule.
Ernst Schnackenberg (links) betankt den Biomethantraktor an der Schnelltanksäule.© Hinrich Neumann

Sechs Lkw stehen in einer Reihe. Von jedem führt ein schwarzer Schlauch zu einer der drei Säulen am Rand der 1.700 m2 Asphaltfläche. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier würden E-Fahrzeuge mit Strom geladen. „Die Maschinen sind hier zur Nachtbetankung angeschlossen“, berichtet Magnus Sackmann von der Schnackenberg GmbH aus Westertimke bei Tarmstedt. Als Kraftstoff tanken die sechs jeweils 460 PS starken Maschinen der Marke Iveco Biomethan.

Die Sattelzugmaschinen gehören der Schnackenberg GmbH. Die Gesellschaft betreibt nicht nur eine Biogasanlage mit 1 MW, sondern übernimmt auch landwirtschaftliche Transportdienstleistungen. Dazu gehören Fahrten von Getreide, Stroh oder absepariertem Gärrest bis nach Sachsen-Anhalt. Die Lkw benötigen im Jahr rund 200.000 Liter Diesel.

Die Herkunft des Gases

Vor rund zehn Jahren hatte sich Landwirt und Firmengründer Ernst Schnackenberg mit Biomethan als Kraftstoff beschäftigt. Er wollte damals schon eine Tankstelle errichten und das Gas aus seiner Biogasanlage verkaufen. „Damals war das aber nicht wirtschaftlich, Erdgas war im Vergleich zu Biomethan viel zu günstig“, sagt er.

Das hat sich geändert. Zum einen ist die Aufbereitungstechnik vom Biogas zum Biomethan mit dem Membranverfahren deutlich günstiger geworden. Zum anderen bestimmen nicht mehr nur die Gasproduktionskosten den Kraftstoffpreis, sondern vor allem die Erlöse der Treibhausminderungsquote (THG-Quote). Diese fällt – vereinfacht dargestellt – an, wenn ein Tankstellenbetreiber Biomethan in den Markt bringt. Diese Quote zur CO2-Einsparung kaufen Mineralölkonzerne, um damit ihrer Verpflichtung zur Senkung der Treibhausgasemissionen nachzukommen.

Die Schnackenberg GmbH kauft hierfür Biomethan vom freien Markt aus dem Gasnetz zu. „Wir haben Kontrakte für drei Jahre abgeschlossen und sind verpflichtet, eine bestimmte Menge an Gas pro Jahr abzunehmen“, erklärt Magnus Sackmann, der sich in der Gesellschaft um den kaufmännischen Bereich kümmert.

Der Preis, den die Gesellschaft für das Biomethan zahlen muss, ist dabei ein Mischpreis: Von dem reinen Gaspreis hat der Händler bereits eine Pauschale für die Quote abgezogen. Darum erhalten sie das Gas günstiger als z. B. BHKW-Betreiber. „Wir sind froh, dass wir uns um die ganzen Regularien rund um die THG-Quote nicht kümmern müssen, sondern dass das der Händler übernimmt“, begründet Sackmann das. Zudem unterliegt der Quotenpreis normalen Marktschwankungen. Auch dieses Risiko übernimmt der Händler mit der pauschalen Vergütung.

Beim Gaspreis haben die Gesellschafter mit dem Händler Stillschweigen vereinbart. „‚Wir können aber unterm Strich Biomethan für rund 1 €/kg tanken“, sagt Sackmann. Das entspricht etwa 70 ct/l Diesel, ist also rein auf die Kraftstoffkosten bezogen günstiger als die fossile Variante.

Vom Netz in den Tank

Vor dem Bau der eigenen Tankstelle waren die sechs Gas-Lkw schon vorhanden. Denn Genehmigung, Komponentenlieferung und Bau der Tankstelle haben zusammen länger gedauert als die Lieferzeit der Lkw. „Wir haben daher in den ersten Monaten an Öffentlichen Tankstellen Gas getankt, was sich aber als nicht praxistauglich herausgestellt hat“, sagt Sackmann. Grund: Die öffentlichen Säulen sind für Pkw ausgelegt. Damit sind die Speicher innerhalb des Tanksystems schnell leer, es fehlt also Druck, um einen Lkw-Tank komplett füllen zu können. „Wir hatten nur rund 60 % Tankinhalt und damit mit einer Tankfüllung eine Reichweite von 400 km – für einige Fahrziele zu wenig“, erklärt er.

Das hat sich mit der eigenen Tankstelle geändert. Diese ist direkt an eine Erdgasleitung mit 800 mbar Druck angeschlossen, die am Rande des Gewerbegebiets „Timkepark“ verläuft. Der Gasnetzbetreiber EWE hat die von Schnackenberg benötigte Gasmenge als „Hausanschluss“ eingestuft und daher eine Druckminderung auf 90 mbar vorgeschrieben. Der Verdichter der Tankstelle muss den Druck dann wieder auf 270 bar erhöhen. „Wir sind noch im Austausch mit dem Gasnetzbetreiber, weil mit dieser Regelung Energie verschwendet wird. Unserer Verdichter könnte Gas mit einem Vordruck von bis zu 400 mbar verarbeiten“, sagt Jan Ludeloff, Geschäftsführer vom Unternehmen Movingreen aus Sittensen, das das Tankstellenkonzept erarbeitet und die Tankstelle errichtet hat.

Die Tankstelle besteht aus folgenden Komponenten:

  • Die Schnackenberg GmbH hat ein rund 2.000 m² Grundstück erworben und asphaltiert.
  • Auf der Fläche steht eine Verdichterstation, die pro Stunde 140 m3 Gas aus  dem Netz entnimmt, verdichtet und in einem Druckspeicher zwischenlagert. Dieser versorgt eine Schnelltanksäule, mit der drei Lkw nacheinander betankt werden können, bis der Speicher wieder gefüllt werden muss. Eine komplette Tankfüllung dauert etwa zehn Minuten.
  • Am Rande der Fläche stehen zurzeit drei Tanksäulen mit je zwei Anschlüssen für die Nachtbetankung. Diese verwerten das Gas aus dem Netz direkt, es muss nicht erst in dem Zwischenspeicher befördert werden.

Vorteil der Nachtbetankung

„Die Nachtbetankung hat sich für uns als sehr sinnvoll erwiesen“, sagt Sackmann. Der Tankvorgang dauert mehrere Stunden. Das Gas wird dabei mit lediglich 220 bar Druck in den Tank gepresst. Der ganze Vorgang läuft gesteuert ab: Wird ein bestimmter Druck oder eine bestimmte Temperatur überschritten, stoppt die Anlage automatisch. Denn wird das Gas beim Tanken aufgrund des Drucks zu warm, dehnt es sich aus und reduziert damit das Tankvolumen. Die gesteuerte Betankung sorgt dagegen dafür, dass der Tank komplett gefüllt wird. „Laut Fahrzeughersteller kann der Tank 160 kg aufnehmen, wir bekommen aber mit der Langsambetankung 190 kg hinein, was die Reichweite auf bis zu 700 km erhöht“, nennt Sackmann die Vorteile. Außerdem können die Fahrer gleich morgens mit vollem Tank starten und verlieren keine Zeit an der Zapfsäule. Die Lkw mit 41 t Gesamtgewicht inkl. Ladung haben eine Reichweite von 600 bis 650 km.

Das System ist für Lkw genauso geeignet wie für Traktoren. Mit der Verdichterstation ließen sich bei Bedarf noch weitere Tanksäulen anschließen: Die Anlage kann – je nach Vordruck des Gasnetzes – pro Tag bis zu 3.000 kg Gas verdichten. Die sechs Lkw sowie der Traktor benötigen heute noch nicht einmal ein Drittel davon.

Die Kosten

Für den Umstieg auf Biomethan als Kraftstoff musste die Gesellschaft zunächst erheblich investieren: Die Gas-Lkw kosten rund 30 % bzw. 20.000 € mehr als die Dieselfabrikate. Dazu kommen die Kosten für die Tankstelle in Höhe von rund 600.000 € (einschließlich Genehmigung, Asphaltierung der Fläche und Ausgleichsmaßnahmen).

Was für den Gasantrieb spricht

Die Tankstelle im Timkepark könnte in der Region ein Kristallisationspunkt für weitere Kunden sein. Denn die Nachfrage nach CO2-neutralen Transporten steigt. Interesse hat u.a. ein Tiefbauunternehmen, das mit drei Traktoren und Muldenkippern Erde transportiert. „Für sie wäre der Gas-Traktor in Kombination mit unserer Tankstelle und Nachtbetankung eine interessante Option“, sagt Schnackenberg. Der Betrieb will die Technik jetzt für ein paar Wochen testen. „Landwirte aus der Umgebung könnten dann z.B. ihre Traktoren bei uns nachts betanken, wenn sie diese im Timkepark stationieren. Oder mittags an der Schnelltanksäule füllen“, stellt Schnackenberg in Aussicht. Ob das System praxistauglich ist, soll jetzt getestet werden. Weitere Kunden in der Nähe sind ein Entsorgungsbetrieb, der u.a. kommunale Abfälle fährt. „Noch ist der klimaneutrale Transport für die Kommunen kein Thema, aber auch sie werden sich irgendwann mit dem Thema beschäftigen müssen und könnten daher Interesse an Biomethan als Kraftstoff haben“, erwartet er.

Ebenso gibt es in der Nachbarschaft Lkw-Flotten von einer Kartoffelvertriebsfirma, eine Molkerei oder eine größere Abfallbiogasanlage, die Substrat einsammelt. Dazu kommen Sandkuhlen und andere
Lebensmitteltransporteure. „Diese Firmen gibt es in vielen Regionen, was damit auch vielen anderen Biogasanlagen Perspektiven eröffnet“, sagt Ludeloff. Neben der Steigerung des Dieselpreises aufgrund des CO2-Aufschlags spricht auch für den Kraftstoff, dass die Autobahnmaut ab dem 1. Dezember 2023 CO2-abhängig ausgestaltet wird. Der Aufschlag beträgt 200 €/t CO2-Ausstoß. Wer nachweislich wenig CO, emittiert, zahlt damit weniger. „Biomethan sorgt also für Wettbewerbsvorteile. Da es nicht unendlich viel Menge am Markt gibt, sind frühe Liefer- und Abnahmebeziehungen wichtig“, betont er.

Der Gasantrieb bringt aber auch technische Vorteile: „Wir brauchen keine Abgasnachbehandlung und damit auch kein Adblue an Bord“, sagt Geschäftsführer Michael Schnackenberg. Welche Vorteile das hat, haben sie spätestens seit dem letzten Jahr, als der kriegsbedingte Harnstoffmangel erst zu einem Adblue-Engpass und später zu einem starken Preisanstieg geführt hatte. CNG hat aus seiner Sicht auch Vorteile gegenüber dem ansonsten bei vielen Speditionen stark favorisiertem LNG. Denn bei CNG muss das Biomethan nicht verflüssigt werden, was erheblich Kosten einspart. „Außerdem kann das LNG aus dem Tank schnell entweichen, weil es bei längerer Standzeit warm und damit gasförmig wird“, hat er erfahren. Darum ist es eher für den Langstreckentransport geeignet, aber weniger für den regionalen Schwerlastverkehr. Dank des
geringeren Energieeinsatzes bei CNG ist außerdem die THG-Minderung höher und damit auch der Quotenerlös.

Flexible Gasproduktion

Mittelfristig soll auf der Biogasanlage der Schnackenberg GmbH eine Gasaufbereitung installiert werden. „Wir wollen selbst Biomethan erzeugen und dann in der Tankstelle verwerten“, plant Michael Schnackenberg. Er sieht das als ideale Form der Direktvermarktung. „Der Strommarkt wird immer komplizierter. Es könnte sein, dass im Sommer bei viel Wind- und Solarstrom im Netz Biogasstrom kaum noch gebraucht wird. Daher haben wir mit Biomethan eine zusätzliche Verwertung für das Gas”, argumentiert er. Andererseits ist auch der Biomethanabsatz als Kraftstoff regional begrenzt. Denn eine Anlage mit 500 kW elektrischer Leistung produziert pro Stunde ca. 250 m³ Rohgas. „Daraus können, je nach Rohgasqualität rund 130 bis 140 m³ Biomethan, also 130 L Diesel pro Stunde entstehen“, rechnet Ludeloff vor. Soviel Bedarf ist vor Ort selten. „Es ist nicht sinnvoll, eine Gasaufbereitung nur für den Kraftstoffverkauf zu installieren, Anlagen sollten immer zweigleisig fahren“, rät er. Denkbar wäre auch eine Kooperation von mehreren Anlagen in der Nähe, die eine
gemeinsame Tankstelle bauen und damit Traktoren bzw. regionale Unternehmen versorgen könnten.

Eine dezentrale Gasproduktion gekoppelt mit dem Kraftstoffverkauf vor Ort erhöht zudem die Wertschöpfung im Vergleich zu den geplanten Mega-Anlagen, bei denen aus großer Entfernung Mist und Gülle eingesammelt werden und die Bio-LNG an Tankstellen verkaufen. „Dabei bleibt der Landwirt wieder nur Substratlieferant. Mit unserer Lösung können wir Mist und Gülle vor Ort verwerten und damit die Wertschöpfung in der Landwirtschaft erhöhen“, fasst Sackmann die Vorteile zusammen.

Vergleich Diesel – CNG

Der Vergleich zwischen Diesel und Bio-CNG ist nicht ganz einfach. Er lässt sich wie folgt umrechnen:

  • CNG hat einen Energieinhalt von 13,6 kWh/kg. Wenn 1 kg CNG 1 € kostet, sind das umgerechnet also rund 0,074 €/kWh bzw. 7,4 ct/kWh. 
  • Ein Liter Diesel hat einen Energieinhalt von 9,7 kWh. 
  • 7,4 ct/kWh x 9,7 kWh/l = 72 ct/l: Das wäre der vergleichbare Preis für Diesel bei gleichem spezifischem Energieinhalt.

Quelle: www.topagrar.com | Hinrich Neumann vom 28. August 2023