Im Rahmen einer Studie hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. 50 zertifizierte Gebäude hinsichtlich ihres CO2-Fußabdrucks ausgewertet. Ein zentrales Ergebnis: Gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes entstehen vor der tatsächlichen Nutzung – bei der Herstellung und Errichtung. Die Hebel zur Reduktion dieser verbauten CO2-Emissionen liegen unter anderem in der Bauweise, den Bauteilen mit großer Masse und der Nutzungsdauer der Baustoffe. Die Studie liefert Planenden und Auftraggebenden konkrete Benchmarks für ihre eigenen Bauprojekte. Folgestudien sind bereits in Planung.
"Von den Klimaforschenden haben wir den klaren Auftrag, die CO2-Emissionen von Gebäuden jede Dekade zu halbieren, um die Klimakrise in einem erträglichen Maß zu halten", sagt Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB. "In der Energieeffizienz von Neubauten haben wir in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Mit Blick auf die nächsten Jahre müssen wir jetzt dringend einen zusätzlichen Fokus auf die Treibhausgasemissionen des Bauwerks legen. Sie machen gut ein Drittel der gesamten Gebäudeemissionen aus und können bei Gebäuden mit sehr niedrigem CO2-Fußabdruck sogar bei 50 Prozent und mehr liegen. Hier eine Datengrundlage und Orientierung für Planende und Auftraggebende zu schaffen und die Diskussion mit konkreten Zielen für 2030 anzustoßen, ist ein zentrales Ziel unserer Veröffentlichung."
46 Büro- und vier Wohngebäude mit einer Brutto-Grundfläche zwischen 600 und 40.000 Quadratmetern hat die DGNB in ihrer Stichprobe ausgewählt und ökobilanziell ausgewertet. Darunter befanden sich drei Holz- bzw. Holzhybridgebäude, 25 Gebäude in Massivbau- und 22 in Stahlbeton-Skelettbauweise. Die Methode der Ökobilanzierung ist ein Instrument zur Ermittlung der Umweltauswirkungen von Gebäuden. Eine dieser Auswirkungen ist das Treibhausgaspotenzial, das als CO2-Äquivalente in der Maßeinheit Kilogramm pro Quadratmeter angegeben wird. Die gesamten Treibhausgasemissionen lassen sich in betriebsbedingte und verbaute Emissionen unterteilen. Letztere liegen bei konventionellen Neubauten im Lebenszyklus von 50 Jahren bei etwa 500-800 kg CO2e/m2.
Die in der DGNB-Studie untersuchten Gebäude lassen sich mit im Mittel ca. 440 Kilogramm CO2e/m2 zwar unter dem genannten und auch etwas unter dem bisherigen Referenzwert der DGNB Zertifizierung für Neubauten einstufen. Allerdings ist diese Zahl in Hinblick auf die Klimaschutzziele noch viel zu hoch. "Wenn wir es wirklich ernst meinen mit dem Klimaschutz, müssen wir sehr viel ambitionierter sein", betont Braune.
Einfluss der Bauweise und Bauteile auf die CO2-Bilanz
Neben Benchmarks für die eigene Planung liefert die Studie Stellschrauben zur Reduktion der CO2-Emissionen im Bauwerk. Dafür wurden die Datensätze anhand zahlreicher Differenzierungsmerkmale wie beispielsweise Bauweisen, Bauteile und Lebenszyklusphasen ausgewertet. Bei den Bauweisen schneiden die drei Holz- und Holzhybridbauten sehr gut ab. Aufgrund der breiten Streuung der Ergebnisse lohnt sich jedoch die Einzelfallbetrachtung. Sie zeigt, dass auch Massiv- oder Stahlbetongebäude gute Ergebnisse erreichen können und ein Holzhybrid-Gebäude in der Lebenszyklusbetrachtung nicht per se besser ist als jeder Massiv- oder Stahlbetonbau.
Beim Vergleich der Herstellungsemissionen der Bauteile fallen die Decken mit mehr als einem Drittel besonders ins Gewicht, gefolgt von den Außenwänden und der Gründung. Unter den Gebäuden mit den höchsten CO2-Werten des Bauwerks befinden sich sehr hohe Gebäude mit einem starken Anteil an den Decken bzw. den Innenwänden und Dächern. Die Betrachtung der Bauteile zeigt, dass neben der Wahl der Baustoffe ein enormes Reduktionspotenzial in den Bauteilen mit den größten Massen liegt. Dass auch die Nutzungsdauer der Bauteile eine wichtige Rolle spielt, macht der Blick auf den Lebenszyklus deutlich: Die mit dem Austausch von Bauteilen verbundenen Treibhausgasemissionen liegen ungefähr gleichauf mit denen der Gründung.
Tiefergehende Analysen notwendig und sinnvoll
Die Studie liefert eine Einordnung zu den CO2-Emissionen des Bauwerks, zeigt jedoch an einigen Stellen weiteren Forschungsbedarf auf. "Uns war es wichtig, Planenden und Auftraggebenden konkrete Benchmarks zu geben, die sie schon heute für ihre Projekte nutzen können", sagt Braune. „Detaillierte Untersuchungen sind aber an vielen Stellen notwendig. Uns interessieren beispielsweise die Wechselwirkungen zwischen Bauwerk und Nutzung mit Blick auf den Lebenszyklus und der CO2-Fußabdruck der Gebäudetechnik. Wichtig wäre auch eine genaue Betrachtung der Bauweisen und mehr Informationen zum Umgang mit den Baumaterialien am Lebensende des Gebäudes."
Die DGNB nutzt diese und weitere Auswertungen, um ihre Benchmarks im Rahmen der Zertifizierung anhand aktueller Kennwerte anzupassen. Zudem sind bereits zwei Folgestudien geplant, die sich zum einen mit weiteren Nutzungstypen befassen und zum anderen den Fokus auf Vorzeigeprojekte legen, die in der Ökobilanz außerordentlich gut abschneiden. Interessierte können sich direkt bei der DGNB melden. Die ganze Studie ist kostenlos abrufbar unter: www.dgnb.de/studie-oekobilanzierung.
"Bei allen CO2-reduzierenden Neubaumaßnahmen dürfen wir nicht vergessen, dass wir einen Gebäudebestand mit einer hohen Zahl an bereits verbauten Emissionen haben", hebt Braune hervor. "Aus Klimaschutzperspektive sollte deshalb vor jedem Neubau geprüft werden, ob auch ein bestehendes Gebäude in Frage kommt und auf einen klimaneutralen Betrieb hin saniert werden kann."
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. vom 10. November 2021