Bis zum offiziellen Spatenstich für die Paludikultur-Polder im Herbst 2025 ist es noch etwas hin, doch die Arbeiten im Modell- und Demonstrationsvorhaben RoNNi (Nachhaltige Erzeugung und Verwertung von Rohrkolben auf Niedermoorstandorten in Niedersachsen) laufen bereits auf Hochtouren. Das wurde bei einer Veranstaltung in Bad Bederkesa deutlich, bei der das Projekt erstmals in größerer Runde der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Dabei stand eine bestimmte Pflanze ganz besonders im Fokus.
Für die Veranstaltung unter dem Motto „Rohrkolben – Rohstoff der Zukunft?!“ hatten sich die Projektpartner um die Naturschutzstiftung des Landkreises Cuxhaven, das 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V. und die Stadt Geestland für einen besonderen Ort entschieden: den Festsaal der historischen Burg Bederkesa. Ein geschichtsträchtiger Ort, der sehr gut zum Anlass passe, wie Geestlands Bürgermeisterin Gabi Kasten in ihrer Begrüßungsrede bemerkte: „Die Geschichte der Burg reicht zurück bis ins 12. Jahrhundert. Auch das Moor beschäftigt die Menschen seit Jahrhunderten.“
Mit Blick auf den Klimaschutz spielt das Moor eine wichtige Rolle. Denn trockengelegte Moorböden emittieren in Deutschland jährlich rund 53 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Die Nutzung von Moorböden trage in Niedersachsen in etwa so viel zum klimaschädlichen CO₂-Ausstoß bei wie der Verkehr, unterstrich Dr. Jan Köbbing, Geschäftsführer des 3N Kompetenzzentrums: „Die Zeit drängt: Niedersachsen will die jährlichen Treibhausgasemissionen aus kohlenstoffreichen Böden bis 2030 um 1,65 Millionen Tonnen pro Jahr gegenüber 2020 reduzieren.“
Durch Wiedervernässung können Klimagase vermieden werden. Dafür muss der Wasserstand im Moor so hoch sein, dass der im Torf gebundene Kohlenstoff nicht freigesetzt wird. Und genau da liegt der Knackpunkt: Bei hohen Wasserständen ist eine herkömmliche landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich. Hier kommt die Paludikultur ins Spiel. „Mit ihrer Hilfe wollen wir herausfinden, wie wir die Interessen der Landwirtschaft mit denen des Moor- und Klimaschutzes in Einklang bringen können“, sagte Landrat Thorsten Krüger. Das Thema sei für den Landkreis Cuxhaven von großer Bedeutung. „Damit die nachhaltige Transformation gelingt, müssen wir die Akteure aus Wasser-, Land- und Forstwirtschaft, Politik, Industrie, Forschung und Wissenschaft miteinander in den Austausch bringen.“
Darum geht es auch beim Projekt RoNNi: Auf einer 7,8 Hektar großen Fläche am Bederkesaer See soll ein Versuchspolder entstehen, auf dem Rohrkolben angebaut wird – eine Pflanze, deren Biomasse später als Dämmstoff in der Bauindustrie zum Einsatz kommen kann. Das Besondere an dem Rohstoff ist seine Resistenz gegen Fäulnisbildung, so Jan-Phillip Lotsch vom Institut für Materialprüfung der Jade Hochschule Oldenburg. In dem Projekt wird demonstriert, wie der Rohrkolben als Baustoff in Gebäuden eingesetzt werden kann. Außerdem wird eine eigene Fertigungsanlage geplant und aufgebaut. Eine weitere Verwendung finde die Biomasse als klimafreundlicher Zuschlagsstoff für Gartenbausubstrate, wie Sjanie Hindenberg von der Klasmann-Deilmann GmbH in ihrem Vortrag veranschaulichte. Für diese beiden Anwendungsfelder sollen im Rahmen des RoNNi-Projekts regionale Produktketten aufgebaut werden.
„Wir wissen, dass wir den Rohrkolben vielfältig einsetzen können. Doch das Problem besteht darin, dass die Produktion zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirtschaftlich ist. Es gibt noch keine Produktketten, keine Zulassung für die Produkte. Produzenten verweisen auf das fehlende Rohstoffangebot, die Landwirtschaft auf die fehlende Nachfrage“, beschrieb Dr. Colja Beyer, Projektkoordinator bei der Kompetenzstelle Paludikultur im 3N Kompetenzzentrum, das „Henne-Ei-Problem“.
Ein Problem, dessen Lösung sich die Projektpartner bei RoNNi weiter annähern wollen. Denn mit dem Projekt ist weit mehr als „nur“ die Einrichtung eines Versuchspolders verbunden. „Wir wollen uns genau anschauen, welche Auswirkungen die Paludikultur auf den Treibhausgasaustausch, die Biodiversität und die Wasserqualität hat und wie eine großflächige Umstellung auf Nassbewirtschaftung gelingen kann“, berichtete Dr. Beyer. Von einer deutlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen geht Dr. Bärbel Tiemeyer vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz aus. Mithilfe eines Eddy-Kovarianz-Messturms wird der Treibhausgasaustausch genau ermittelt.
Ein weiterer Baustein von RoNNi ist das Wassermanagement, wie Elisabeth Schwertfeger von der Naturschutzstiftung erläuterte: „Das Wasser zur Wiedervernässung wird aus dem Ankeloher Randkanal kommen. Ziel ist dabei auch, durch den Rohrkolben Nährstoffe aus dem Wasser zu filtern.“
Die großflächige Umsetzung der Paludikultur bringt eine grundlegende Veränderung der regionalen Agrarstrukturen mit sich. Mit den damit verbundenen ökonomischen und sozioökonomischen Chancen und Risiken beschäftigen sich Wenke Rannow und Enna Wetjen von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit dem Ziel, Empfehlungen für die Politik zu formulieren. Die beiden planen mehrere regionale Workshops ab Januar 2025. Für die Gestaltung nimmt die Uni Kiel noch Anregungen entgegen – per E-Mail an Bitte Javascript aktivieren! oder an Bitte Javascript aktivieren!.
Eine wichtige Rolle spielen außerdem regionale Akteursnetzwerke, an denen die Wirtschaft, die Wissenschaft, Verwaltung und Politik, aber auch die Landwirtschaft beteiligt sind. „Wir wollen alle an einen Tisch holen und gemeinsam Erfahrungen für die Zukunft der Moornutzung sammeln“, brachte es Dr. Köbbing auf den Punkt. „In diesem Sinne war die Projektvorstellung in der Burg Bederkesa ein voller Erfolg. Mit viel Rückenwind gehen wir nun weiter voran.“
Über das Modell- und Demonstrationsvorhaben RoNNi
Mit Paludikultur Rohstoffe erzeugen und aktiv etwas für den Moor- und Klimaschutz tun – das ist Ziel des Modell- und Demonstrationsvorhabens RoNNi, das in zwei Modellregionen in den Landkreisen Emsland und Cuxhaven von insgesamt 13 Partnern aus Forschung und Wirtschaft umgesetzt wird. Gefördert wird das Verbundprojekt aus Mitteln des Klima- und Transformationsfonds vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Projektträger ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR).
Weitere Informationen:
RoNNi
www.paludikultur-niedersachsen.de
Kontakt
Projektkoordinator Kompetenzstelle Paludikultur +49 5951 9893-18
Dr. Colja Beyer
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